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Georg Nothelfer

Damien Daufresne. Bilder und Papierarbeiten

7. November bis 12. Dezember 2020 ⟶ Showroom

Die Bilder von Damien Daufresne haben keine Titel. „Es sind Zeichnungen.“ Punkt. „Und das ist schon viel“, sagt der 1979 in Paris geborene Künstler. Papier und Kohle, mehr braucht er meist nicht. Doch mithilfe dieser zwei Werkstoffe entwickelt er eine enorme visuelle Kraft. Der Arbeitsprozess ist intensiv. Kleine Zeichnungen können ganz schnell entstehen, der körnig-funkelnde Kohlestrich verrät die kraftvolle und dynamische Bewegung aus dem Handgelenk. Der Ausdruck ist gestisch und unmittelbar. Für größere Arbeiten nutzt Damien Daufresne den Widerstand des grauen Linoleumbodens in seinem Berliner Atelier, setzt seinen ganzen Körper ein. Verteilt Kohle, Kreide, Pigment auch mit dem Schwung der Arme auf dem Papier, wischt oder radiert Weißräume aus. Der Handballen und die Handkante sind wichtige Kontaktpunkte. Sie sind ein weiteres Werkzeug, das etwas über seinen künstlerischen Werdegang erzählt, der angefangen hat in der Radierwerkstatt an der École nationale superieure des Arts Décoratifs in Paris. Auch das Ätzgemisch auf den Zink- und Kupferplatten wird stets mit der Handkante ausgewischt. Daufresne mag das Haptische, die Sinnlichkeit. Die Arbeitsweise spiegelt sich auch in seinem Hauptmotiv: dem Körper. Ob liegend, nackt, verschlungen. Köpfe, bandagiert wie die von Mumien. Füße teils wie Hufe. Menschlich-animalisch. Manchmal versteckt, dann fast plastisch. Seine Bewegungen beim Zeichnen sind impulsiv und werden abgelöst von konzentriertem Innehalten. Was aussieht wie ein von Emotionen gesteuerter, reduzierter Tanz, beschreibt Damien Daufresne selbst als Dialog. Er reagiert auf das, was entsteht. Geht immer wieder auch zurück, um alte Spuren durch Neues zu verdecken. Sein Seinszustand gibt den Rhythmus vor, mit intellektueller Analyse hat das nichts zu tun. Wenn er beginnt, ist da keine Idee. Zunächst Unbestimmtes findet in eine Form. "Alle Bilder sind sowieso schon gemalt", sagt der 41-Jährige. Durch sein Schaffen tritt er ein in diesen Zyklus, fühlt sich verbunden mit einer universellen Energie. "Goya ist immer noch komplett da – es ist egal, ob etwas 600 Jahre her ist oder ob es vorgestern war." Goya spielt eine Rolle – im Atelier klebt die Fotokopie eines Ausschnitts aus einem der "Pinturas Negras", der Schwarzen Gemälde, an der Wand. Auch Rinder- und Schweinehälften, aufgenommen in einer Schlachterei in Südfrankreich, spielen eine Rolle. Fotografien davon hängen neben den Bildern, an denen er arbeitet. Und immer wieder die Literatur. Zu den erotischen Briefen von James Joyce an seine spätere Frau Nora ist eine Serie von Kleinformaten entstanden. Es sind Zeichnungen auf Papier aus der berühmten Druckwerkstatt Atelier Lacourière in Montmartre, die verbunden ist mit Namen wie Matisse und Braque. Oder eine Reihe zu Gedichten von George Bataille. Samuel Beckett ist ihm nah. Unter den Informel-Künstlern fühlt sich Daufresne wohl, unter Asger Jorn, Emil Schumacher oder Georges Noël. "Es ist ein bisschen wie auf einem Friedhof, aber für mich sind sie nicht tot." Eine Rolle spielt, was ihn berührt. Und es kann jetzt oder viel später Einzug erhalten in sein Werk. Das umfasst neben den Zeichnungen auch analoge Fotografien und Filme gedreht auf Super 8. Das physische Material ist ihm wichtig. Neben der Kohle und Kreide hier also das Fotopapier, die Filmrollen und auch die Chemikalien. Gerade diese aggressiven, unter die Haut gehenden Stoffe erzeugen den notwendigen Widerstand. Sie reagieren – und er reagiert darauf. Was die Arbeiten eint: Sie verzichten auf Farbe, das Schwarz-Weiß dominiert. Die Vielfältigkeit von Grau zeigt sich in den jüngst entstandenen großformatigen, flächigeren Bildern. Das Grau schimmert hier bräunlich, gelblich, bläulich. In seinen Zeichnungen, Fotografien und Filmen schafft Daufresne Momente der Verdichtung, denen ein dunkles Geheimnis oder auch ein noch verdecktes Strahlen innewohnt. Er legt darin die Poesie der Dinge frei. Manche Arbeiten nimmt Damien Daufresne sich immer wieder vor. Es kann zehn Jahre dauern, bis er sie für gültig erklärt. Schicht um Schicht trägt er dann auf, Tiefe entsteht, oft auch ein Sog. Es sind Palimpseste, die anwachsen zu einer Erzählung, die sich emotional auf den Betrachter überträgt: lebendig, wuchtig oder auch zärtlich. Und das ist sehr viel. (Text: Cara Wuchold)
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