Delia Jürgens. REFLECTIONS & Kabinett Group Show
1. Juli bis 26. August 2023 ⟶ Galerie
Die Galerie Georg Nothelfer freut sich, eine Soloschau mit Delia Jürgens in den Räumen in der Corneliusstraße zu präsentieren.
Parallel werden Delia Jürgens´ Werke aus Delia Jürgens´ Gruppe Fragmented Landscapes “The Future is but a Second away - WALD“ in der Partnerausstellung Garden of Delete – Inflections in frontviews at HAUNT, Berlin | www.frontviews.de gezeigt.
Parallel werden Delia Jürgens´ Werke aus Delia Jürgens´ Gruppe Fragmented Landscapes “The Future is but a Second away - WALD“ in der Partnerausstellung Garden of Delete – Inflections in frontviews at HAUNT, Berlin | www.frontviews.de gezeigt.
In Delia Jürgens´ Einzelausstellung REFLECTIONS in der Galerie Georg Nothelfer treffen unter dem Titel „The Future is but a Second away – WALD“ Arbeiten der Künstlerin aus der Werkgruppe Fragmented Landscapes (2018 bis 2021) aufeinander. Mit einer physischen Ausstellung im Glashaus Jena, einer daraus resultierenden digitalen Arbeit und Architektur sowie einer Präsentation dieser auf Werbedisplays auf der Kurfürstenstraße in Berlin und am Ebertplatz in Köln, vereint die Ausstellung in der Galerie drei sich ergänzende Werkzustände und Wirkungsräume.
Die Geschichte der Galerie, die sich seit den 1970er Jahren besonders Werken des Informel und Tachismus widmet, eröffnet interessante Perspektiven auf Jürgens Praxis. Unter Berücksichtigung aktualisierter Mittel der Malerei, in der neben Leinwand und (Öl-)Farben auch Video, Digitalisate aber ebenso Paraffine (Erdölerzeugnisse), Harze, Buttermilch, Tee und Glas zum Einsatz kommen, bewegen sich Jürgens Arbeiten im Spannungsfeld von Formwerdung und ihrer Auflösung - Grundfragen von Informel und Tachismus. In Ergänzung zu gestischen malerischen Setzungen hat Jürgens verschiedene Verfahren entwickelt, in denen mittels Schichtung unterschiedlicher Realitäts- und Bildebenen bewegte Unschärfen aber auch Informationsverdichtungen entstehen.
In der Arbeit „Untitled (forest bathing)“, 2018-21, kombiniert Jürgens eigene Videoaufnahmen von Wäldern mit gefundenen Google Maps Sequenzen, die unter dem Stichwort Wald auf diversen Social Media Plattformen kursieren. Hier beschäftigen Jürgens besonders die malerischen Potentiale der in der Zirkulation „ermüdenden Bilder”. Diese digitalisierten Bildebenen, in denen persönliche und errechnete Vor- und Darstellungen des Waldes verschwimmen, legen sich auf einen mit Buttermilch bearbeiteten Glasgrund. Vereinfachenden Dualismen von Natur und Künstlichkeit wird auf Material- und Inhaltsebene gleichermaßen widersprochen. Mit dem kunstgeschichtlich aufgeladenen Motiv des Waldes öffnen sich unmittelbar Bezüge zur Romantik – auch als ein Begehren zu einer vorgeblich unberührten Natur, die sich aktuell in Form einer grassierenden Regressionsästhetik als ein “Zurück in eine Vergangenheit, die es nie gab” in diversen Ausprägungen aktualisiert. Hieran ließen sich viele weitere Fragen zur Kultivierung oder – spezifischer noch – Umweltschutz im Anthropozän anschließen. Gleichzeitig ist der Wald mehr als ein Diskursraum, er ist auch ein Ort intensiver sinnlicher Erfahrungen. Und an diese phänomenologischen Aspekte appelliert Jürgens, wenn sie in ihren Titeln mit forest bathing beispielsweise eine ursprünglich im Japan der 1980er Jahre verwurzelte Ökotherapie anführt, die auf die heilende Wirkung einer allsinnlichen Wahrnehmung des Waldes baut. Im Fall von Jürgens Arbeiten handelt es sich dabei eher um eine erinnerte, visuell repräsentierte, als eine tatsächlich im Ausstellungsraum reproduzierte Wahrnehmung. Somit zielen die Werke genau auf die Schnittstelle von Offline- und Online-Erleben mit ihren spezifischen Taktilitäten ab: Auf die Kontaktzonen, in denen Informationen empfangen, versendet, modifiziert und überformt werden, während sich ein ständiger Wechsel zwischen privatem und öffentlichem Raum und ihren assoziierten Politiken vollzieht. Interessant ist in diesem Kontext, dass Jürgens neben der Verwendung von Paraffin und Glas – eher industriell belegte Werkstoffe – auch die Arbeit mit häuslich konnotierten Teppichen in ihr Repertoire aufgenommen hat. In einer dieser in der Tradition von Wandteppichen stehenden Arbeiten mit dem Titel „Untitled (Petrified #1)“, 2018, collagiert Jürgens dekonstruierte Stock Images, Pinselstriche und Aufnahmen ihres Studios, wobei der Komplexität, den Zeitpunkt und Ort der Produktion festzulegen (dezidierte physische Lokalisierung bei unbestimmter digitaler Vernetzung), Rechnung getragen wird. Die im Speicherungsprozess des digitalen Bildes zufällig entstandenen Glitches haben sich als eine weitere Bildebene eingeschrieben, wobei eine Spannung zwischen Pigment, Pixel und Garn/Knoten entsteht.
Eine solch bewusste Öffnung für Unerwartetes innerhalb eines gesteckten Rahmens hat Jürgens in einer Kombination von lockerem und strengem Denken auch in einem weiteren Verfahren in ihrer Arbeit mit Paraffin aufgegriffen. Für Werke wie das gezeigte „Untitled (reflection/wir wurden kosmisch)“, 2018-21 wird Paraffin – ein Kohlenwasserstoffgemisch – in Phasen erhitzt und verflüssigt und auf die Rückseite der Leinwand aufgetragen, wodurch die genaue Form- und Farbgebung der Vorderseite nur bedingt steuerbar ist. Schicht um Schicht verbindet sich das Paraffin dabei zu einer alternativen Landschaft; zu "Sedimentschichten, in denen auch Überlegungen zum eigenen Ressourcenverbrauch eingehen", wie Jürgens formuliert. Zudem erinnert Paraffin, das häufig als Bei- oder Abfallprodukt aus Prozessen industrieller Fertigung hervorgeht, an die Zirkulation der Objekte, die neben der rhizomatischen Verbreitung der Bilder weitere Kreise ziehen. (Nele Kaczmarek)
Delia Jürgens (*1986 in Hannover), lebt und arbeitet zwischen Hannover, Köln und Los Angeles. Sie schloss ihr Studium an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und an der Hochschule für angewandte Kunst und Wissenschaft Hannover ab. Ihre Arbeiten werden in nationalen und internationalen Museen gezeigt. 2018 wurde sie mit dem Sprengel-Preis für Bildende Kunst der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und des Sprengel Museums ausgezeichnet.