INVENTORY Part I / Part II.
14. September bis 11. November 2023 ⟶ Galerie
Die Galerie Georg Nothelfer freut sich eine Gruppenausstellung mit dem jungen Künstler*innen Duo archiv SANDER I SCHAAL in Dialog mit historischen Positionen aus dem Bestand der Galerie zu zeigen.
An der Schnittstelle zwischen Zitat und Weiterentwicklung schaffen Finja Sander und Daniel Schaal mit INVENTORY eine ergebnisoffene Bestandsaufnahme, die die Kunstproduktion der europäischen und nordamerikanischen Nachkriegsmoderne in den Blick rückt. In Zeiten sich immer weiter verdichtender politischer Krisen ist es beiden Künstler*innen ein zentrales Anliegen, sich Werken und Ideen der ebenso krisenhaften Post-War Ära zu nähern und diese für gegenwärtige Modi der Kunstproduktion fruchtbar zu machen. Hierfür setzten sich Schaal und Sander mit der Sammlung der Galerie Georg Nothelfer auseinander und suchten nach Arbeiten, die verschiedene Arten des künstlerischen Umgangs mit dem Begriff des Ausnahmezustands vermitteln. Jene Arbeiten in den Galerieraum zu holen, einer eingängigen Begutachtung zu unterziehen, neu zu kontextualisieren und letztlich zu reaktivieren, ist somit zentraler Moment der zweiten Zusammenarbeit zwischen dem
archiv SANDER | SCHAAL und der Galerie Georg Nothelfer.
INVENTORY lebt dabei von seinen Distanzen, Lücken und Leerstellen. So stehen sich die Arbeiten der durchweg vor 1950 geborenen Künstler*innen und die prozessuale, intuitive Arbeitsweise von archiv SANDER | SCHAAL aus zeitlicher und formaler Perspektive gegenüber. Und auch die künstlerische Praxis Schaals und Sanders untereinander zeichnet sich durch Gegensätze aus:
Daniel Schaal (*1990, alle Pron.) nähert sich beispielsweise mit Hilfe traditioneller Druckprozesse den Paradoxien und der Massenästhetik unserer gegenwärtigen Konsumgesellschaft an. Finja Sander (*1996) beschäftigt sich wiederum in sich über lange Zeiträume entwickelnden Konstellationen aus Performance und Skulptur mit Mechanismen des Erinnerns und Gedenkens. Während Sander also aus dem Gegenwärtigen heraus das Vergangene in den Blick rückt, rezipiert und weiterdenkt, widmet
sich Schaal in multimedialen Techniken aktuellen Phänomenen unserer Zeit, forscht nach Narrativen und dem Potential von Alltagsgegenständen, die den Künstler umgeben und seine Existenz verorten.
In einzelnen Unternehmungen, wie für die aktuelle Ausstellung INVENTORY, nehmen Sander und Schaal ihre unterschiedlichen Arbeits- und Denkweisen zum Anlass, um gemeinsame Werke entstehen zu lassen, die die einzelnen Ansätze perspektivisch verbinden und anwachsen lassen.
Aus performativen Zusammenkünften, die zu installativen Gebilden weiterentwickelt werden, erproben sie immer wieder aufs Neue die Möglichkeit der Kollaboration scheinbar unvereinbarer Arbeitsformen.
Die Reduktion auf Formensprache, den Einsatz des eigenen Körpers als Ausgangspunkt und das Spiel mit bisher unerprobten Materialien, sind Strategien, die auch für die künstlerische Produktion der Nachkriegszeit charakteristisch sind.
Betrachtet man die Werke von Galli, Georges Noël, Arnulf Rainer oder Fred Thieler, wird die Relevanz der physischen Anstrengung auch in dessen Abwesenheit ersichtlich. Ausdruck entstammt hier nicht dem Geist, sondern der Gesamtheit des Körpers in Intuition und Affekt. Für die Ausstellung wählten Sander und Schaal Positionen, die die aus diesem Ansatz heraus formale Vielfalt zeigen und ein weites Spannungsfeld zwischen figurativen und abstrakten Weisen der Darstellung eröffnen.
Part I
Die mit tiefblauer PVC-Folie provisorisch abgedeckte Bodenfläche der Galerie hebt sich von den bereits bestehenden, im Raum installierten Werken deutlich ab. Sie verweist auf das Arbeitsvorhaben von Sander und Schaal: Ein Happening, das als Rückgriff auf die 60er Jahre zu verstehen ist, nutzen die beiden Künstler*innen, um die an den Wänden hängenden Arbeiten mit in Metallregalen geschichteten Arbeitsmaterialien zu konfrontieren. Hierbei wird die Galerie zu einem offenen Arbeitsraum, der die Leerstellen der Ausstellung mit neuen Formen und Inhalten füllt. Von hier aus widmen sich Sander und Schaal über die Dauer der Ausstellung auf individuelle Weise den einzelnen Werken und entwickeln sowohl ihre eigene Arbeit, einen neuen Raum und neue Bedeutungen für die elf ausgewählten Arbeiten, wodurch jene auch abseits ihrer kunsthistorischen Relevanz wieder zu Fixpunkten der Gegenwartskunst werden können. (Text: Nikolas Geier)
Part II
Nach einem intensiven, mehrwöchigen Arbeitsprozess in den Galerieräumen, der von den Besucher:innen zu jedem Zeitpunkt einsehbar war, werden die neu entstandenen Arbeiten von Sander und Schaal in das fluide Ausstellungskonzept integriert. Diente die provisorisch verlegte, blaue PVC-Plane zunächst als pragmatischer Schutz für den Boden der Galerie, verwenden Sander und Schaal sie nun als Teil ihrer Werkserie "Staring, into Everything". Diese thematisiert vor allem das Sujet des Betrachtens, des sich in etwas Vertiefen. Sander und Schaal inszenieren sich als anonyme Rezipient:innen. Gleichzeitig scheinen sie sich in den zuvor angefertigten digitalen Reproduktionen der historischen Werke nahezu aufzulösen und ihre Eigenständigkeit aufzugeben.
Die Reduktion auf Formensprache, den Einsatz des eigenen Körpers als Ausgangspunkt und das Spiel mit bisher unerprobten Materialien, sind Strategien, die auch für die künstlerische Produktion der Nachkriegszeit charakteristisch sind.
"Staring into Everything" als Ergebnis der künstlerischen Bestandsaufnahme von Sander und Schaal in den Räumen der Galerie Nothelfer ist Echo, Kommentar, Erweiterung, aber auch Konservierung und Stillstand. Die im Prozess entstandenen Arbeiten der beiden Künstler:innen werden den Werken aus der Sammlung Nothelfer gegenübergestellt.
Mit freundlicher Unterstützung von: