Inna Levinson & Walter Stöhrer. WHO AM I?
26. April bis 8. Juni 2024 ⟶ Galerie
Führung durch die Schau
Samstag, 18. Mai, 14 Uhr
Inna Levinson wird anwesend sein
Die Galerie Georg Nothelfer freut sich, eine Ausstellung mit der jungen Berliner Künstlerin Inna Levinson (*1984 in Lwiw / UdSSR, heute Ukraine) und Walter Stöhrer (*1937 in Stuttgart/Deutschland, Ɨ 2000 in Taarstedt/Deutschland), einem Vertreter der gestischen und skripturalen Malerei, zum Thema "Identität" zu präsentieren.
„Das Bild ist eine Haut, die ich abstoße“, sagt Walter Stöhrer. Mit diesem sich Häuten ist ein Prozess der steten Erneuerung verbunden, während das sich wandelnde Ich in einem Körperkontinuum existiert. So bleibt sich der Künstler in immerwährender Erneuerung treu. Bild für Bild. Stöhrer, der große Individualist, scherte sich nie um Gruppenbildungen, künstlerischen Fraktionszwang und ästhetische Kategorien. Der Maler bahnte sich seit den 60er Jahren mit wachsender Anerkennung seinen eigenen Weg im Kunstbetrieb, gab seiner Praxis einen schillernden Namen, der als Gegenbegriff zum „Kritischen Realismus“ seiner Malerkollegen gedacht war: „Intrapsychischer Realismus“. Figurativer Duktus und Abstraktion waren somit für ihn vereinbar und kein Widerspruch. Seine gestische Malerei war Ausdruck einer großen malerischen Kraft und gleichzeitig literarisch durchtränkt. Er schätzte antike Philosophie genauso wie die Schriften der französischen Surrealisten. Diese Heterogenität im Bildentwurf erlaubte es ihm gekritzelte Textfragmente ebenso wie pornographisches Bildmaterial in den malerischen Fluss zu integrieren. Wer bin ich? Die Frage stellt sich vor wie hinter der Leinwand gleichermaßen. Das subjektive Erleben eint Maler und Rezipienten, auch wenn ihr tatsächlich erfahrenes Sein diametral auseinanderdriften mag, der Intensität, der enormen Präsenz der Bildwirklichkeit kann man sich schwer entziehen. Neben der großen Geste sei Stöhrer auch der Künstler der „nervöse[n] Chiffren“, schrieb die Kritik einst und so wie Roland Barthes das „Linkische“ bei Twombly feierte, so mag man Stöhrers Melange aus rigoroser Farbsetzung und feinmotorischer Krakelei als Ausweis seiner immensen, aus dem Inneren herausbrechenden, psychischen Energie und feinnerviger Sensibilität verstehen.
Samstag, 18. Mai, 14 Uhr
Inna Levinson wird anwesend sein
Die Galerie Georg Nothelfer freut sich, eine Ausstellung mit der jungen Berliner Künstlerin Inna Levinson (*1984 in Lwiw / UdSSR, heute Ukraine) und Walter Stöhrer (*1937 in Stuttgart/Deutschland, Ɨ 2000 in Taarstedt/Deutschland), einem Vertreter der gestischen und skripturalen Malerei, zum Thema "Identität" zu präsentieren.
„Das Bild ist eine Haut, die ich abstoße“, sagt Walter Stöhrer. Mit diesem sich Häuten ist ein Prozess der steten Erneuerung verbunden, während das sich wandelnde Ich in einem Körperkontinuum existiert. So bleibt sich der Künstler in immerwährender Erneuerung treu. Bild für Bild. Stöhrer, der große Individualist, scherte sich nie um Gruppenbildungen, künstlerischen Fraktionszwang und ästhetische Kategorien. Der Maler bahnte sich seit den 60er Jahren mit wachsender Anerkennung seinen eigenen Weg im Kunstbetrieb, gab seiner Praxis einen schillernden Namen, der als Gegenbegriff zum „Kritischen Realismus“ seiner Malerkollegen gedacht war: „Intrapsychischer Realismus“. Figurativer Duktus und Abstraktion waren somit für ihn vereinbar und kein Widerspruch. Seine gestische Malerei war Ausdruck einer großen malerischen Kraft und gleichzeitig literarisch durchtränkt. Er schätzte antike Philosophie genauso wie die Schriften der französischen Surrealisten. Diese Heterogenität im Bildentwurf erlaubte es ihm gekritzelte Textfragmente ebenso wie pornographisches Bildmaterial in den malerischen Fluss zu integrieren. Wer bin ich? Die Frage stellt sich vor wie hinter der Leinwand gleichermaßen. Das subjektive Erleben eint Maler und Rezipienten, auch wenn ihr tatsächlich erfahrenes Sein diametral auseinanderdriften mag, der Intensität, der enormen Präsenz der Bildwirklichkeit kann man sich schwer entziehen. Neben der großen Geste sei Stöhrer auch der Künstler der „nervöse[n] Chiffren“, schrieb die Kritik einst und so wie Roland Barthes das „Linkische“ bei Twombly feierte, so mag man Stöhrers Melange aus rigoroser Farbsetzung und feinmotorischer Krakelei als Ausweis seiner immensen, aus dem Inneren herausbrechenden, psychischen Energie und feinnerviger Sensibilität verstehen.
Stöhrer zur Seite steht in dieser Ausstellung die junge Malerin Inna Levinson. Die gebürtige Ukrainerin lebt heute in Berlin und ihr Werk ist voll und ganz im Hier und Jetzt medialer Gegenwart verortet. Die Frage nach dem Ich und der Identität angesichts eines „Geworfenseins“ in die digitale Allpräsenz beantwortet die Künstlerin mit den klassischen Mitteln der Malerei: ein pixelartiger Farbauftrag auf grober Jute spielt zumindest noch mit den Erwartungen an ein technologisches Bild. Am Ende steht doch eher die Frage im Raum, wie Bilder generell funktionieren. Wie die Logik und Praxis unseres vom Bildschirm konditionierten Sehens damit korreliert.
Hatte Levinson einst mit Plastillinfiguren Szenen mittelalterlicher Ikonographie zitiert, ging es um die Restbestände von Bildwissen, die sich dann in einem spielerischen Gestus in Erinnerung gebracht haben. Oft rückt sie ihrem Gegenstand dicht auf den Pelz und im Mangel an Distanz dissoziieren Fläche und Figur zu körperhaften Mischformen, die eigentlich so nur in der Flachheit eines Bildschirms existieren.
In einigen Werken bedient sie sich einer reduzierten Konturlineatur im Spiel mit Ausschnitt und Rahmen der Komposition. Eine Körpersilhouette, die - wenn man will - als pornographisches Piktogramm zu lesen ist, und ein wenig an die Figuren von William Copley erinnert, sitzt mehr verloren denn aufreizend im Bildraum. Wie ein Detail, das beim Copy/ Paste auf der Festplatte vergessen wurde. Teils ahnen wir eher Evokationen von Körperformen, eine flirrende Maske, die Gesicht zu nennen schwerfällt. Wer bin ich?
Stöhrers in sich Hineinhorchen und Rausschleudern von Zeichen und Chiffren, von Farbströmen, die sich durchdringen, überlagern und eine fröstelnde Farbhaut bilden, scheinen bei Levinson in einem subtilen Reflex das Bild diffus werden zu lassen abgefedert und medial noch mal gebrochen. Wie wenn man den Photoshopfilter um eine weitere imaginäre Drehung verschärft, weil die kristalline Klarheit der Fotografie im Sinne von Wahrheit eh fragwürdig geworden ist. Stöhrer reagiert mit Kalkül auf den tropfschweren Verlauf der nassen Farbe, verwischt und integriert sie, Levinson appelliert an die Textur des Bildträgers, so wie Seurat die grobe Oberfläche seines Papiers benötigte, um den zarten Staub seiner Pastellkreide aufzufangen. Das Ich bleibt ephemer. So oder so. (Text: Jan-Philipp Frühsorge)