Herta Müller. Massa del Canto
16. Mai bis 21. Juni 2014 ⟶ Corneliusstraße
Öl, Kohle und Wachs sind die Materialien, Licht, Raum und Bewegung die Elemente, womit Herta Müller auf Papier und Leinwand Landschaft suggeriert. "Souffleuse der Stille" ist der Name, der ihr angedichtet wird. Herta Müllers "Quasi-Malerei" verwandelte sich 2009 jedoch in "Malerei" - nicht höhnisch, ironisch, oder subversiv, sondern aufrecht - als klassisches Instrument um sich die Welt vorzustellen. Es ist kein Hang zum Bruch, der Herta Müller da treibt. Vielleicht wird in ihren farbigen, figurativen Malereien das Flüstern lauter - mit, gelegentlich, einem Freudenschrei. Elementar bleibt sie aber konsistent: Das Licht spielt jetzt im Wasser und der Raum eröffnet sich in dessen Transparenz. Die abstrahierenden Linien wiederum sind durch verfremdende Ausschnitte einer Landschaft ersetzt, die Herta Müller während ihren sommerlichen Verbleiben in der Toskana fotografiert. Abstrakt oder gegenständlich - an der Basis liegt immer die Faszination der Künstlerin für den Klassiker der Klassiker: die (italienische) Natur. Die Transformation von abstrakter Kunst in figurative Malerei ist bei Herta Müller nicht als retrograd zu betrachten. Im Kontext der aktuellen Kunstwelt wirkt ihre Malerei erfrischend, bisweilen gar rebellisch. Herta Müller forscht nach Realität. Das Motiv des Flusses in ihrer Malerei beinhaltet ein genaues Beobachten. Dabei lotet die Künstlerin die Transparenz des Wassers aus, dessen "auflösende Spiegelung", und findet Festigkeit in Steinen, Felsen und am Ufer. "Warum ist nicht alles schon verschwunden", fragte Jean Baudrillard? Stets bleibt "ein Rest, der sich entzieht." Philosophische Reminiszenzen zwingen sich bei der Besinnung über Herta Müllers Oeuvre unvermeidlich auf: von Heraklit mit seiner Vorstellung von der Zeit als Fluss, der durch die Landschaft strömt, bis zur östlichen Spiritualität. Wenn dies und jenes im Geist dann ablassen, kehrt das Auge jedoch zu der von Herta Müller kolorierten Leinwand zurück. Da erregt es sich an der grandeur des Malens, bis der Nervenkitzel einen seelenruhigen Jubel aktiviert. (Text: An Paenhuysen)